„Vielleicht sollten wir ein Ablaufdatum auf unsere Töpfe drucken“, meint FriedrichRiess. Denn die Emaillewaren von Riess werden oft über Generationen in derFamilie weitergegeben. So wie das Unternehmen selbst: Seit fast einem halbenJahrtausend wird in Ybbsitz Kochgeschirr produziert
VON FLORIAN STREB
In neunter Generation leiten Friedrich (5. v. l.), Susanne (6. v. l.) und Julian Riess (7. v. l.) das Familienunternehmen.
Traditionsreich nennen sich viele Unternehmen, aber auf eine solange Geschichte wie RIESS KELOmat können nur die wenigstenblicken: Bereits 1550 (!) wurde im niederösterreichischen Ybbsitzein „Pfannenhammer“ gegründet, seither wird dort ohneUnterbrechung Kochgeschirr hergestellt. Für die Emaillewaren,die seit 1922 produziert werden, ist das Unternehmen heute weitüber die Grenzen hinaus bekannt — bis nach Korea undNeuseeland.
Seit mittlerweile neun Generationen ist der Betrieb im Besitzjener Familie, die ihn heute leitet: Friedrich Riess, sein CousinJulian Riess und seine Cousine Susanne Riess teilen sich dieseAufgabe. Neben Emaillegeschirr umfasst das Portfolio auchEmailleschilder — so kommen etwa die blauen WienerStraßenschilder aus dem Hause Riess — sowieIndustriekomponenten und seit 2001 auch Edelstahl-Kochgeschirr: Damals wurde die Druckkochtopf-Marke KELOmatgekauft, die auch Eingang in den Firmennamen fand.
Der eigene Weg war der richtige. Seit Friedrich Riess imFamilienbetrieb aktiv ist, hat sich viel getan: 1980 gab es nochfünf Emaillegeschirrfabriken in Österreich und unzählige inEuropa. Eine nach der anderen musste unter dem Preisdruck derGlobalisierung schließen. „Viele auch deshalb, weil sie denfragwürdigen Ratschlägen von externen Managern gefolgt sind,die keine langfristige Vision hatten“, erinnert sich Riess. Selbstschlug man die Zurufe von außen in den Wind, ging einenanderen Weg: großes Sortiment, nachhaltige Herstellung, hoheLagerstände, langlebige Produkte. „Die Leute haben den drittenMann und das fünfte Auto, aber noch immer das Geschirr, das dieOma bei uns gekauft hat“, meint Riess und scherzt: „Vielleichtsollten wir es machen wie beim Salz und ein Ablaufdatum aufunsere Töpfe drucken.“ Die Strategie ging jedenfalls auf: Heute istRIESS KELOmat nicht nur die einzige Emaillemanufaktur,sondern sogar die einzige Geschirrfabrik Österreichs.
Energie aus der Ybbs. Mitverantwortlich für den Erfolg ist, dassRiess lernte, Geschichten über sein Unternehmen zu erzählen:„Darauf haben uns Kunden aufmerksam gemacht.“ Eine solcheGeschichte ist die von den eigenen Wasserkraftwerken, die seitrund einem Jahrhundert den Strom für die Produktion liefern.„Es war uns schon immer wichtig, dass wir nachhaltig arbeiten.Auch wenn der Einkäufer ständig gekommen ist und gesagt hat,kaufts doch bitte den billigen Atomstrom.“ Auch dass kürzlicheine neue Fischleiter um eine Million Euro vorgeschriebenwurde, brachte den Betrieb nicht zur Abkehr von derhauseigenen Wasserkraft. „Wir haben dafür keine für unsunnötigen Sachen wie Dienstautos oder Sekretärinnen für dieGeschäftsführer.“ Sauer ist der Chef aber, dass das Engagementvom Staat wenig wertgeschätzt wird: „Statt einer Belohnungdafür, dass wir CO2-neutral produzieren, zahlen wir sogarEnergiesteuer für unseren eigenen Strom.“
Überhaupt bezweifelt er bei vielen Umweltschutzauflagen, ob siezielführend sind: „2011 wurde uns vorgeschrieben, dass wir eineneue Maschine ‚am Stand der Technik‘ anschaffen. Die hätte aberein Vielfaches an Energie gefressen. Deshalb haben wir am Endezwei unserer alten Maschinen umbauen und vom TÜVzertifizieren lassen — die arbeiten jetzt effizienter und mitweniger Strom als die ‚moderne‘.“ Auch über Stromfresser imHaushalt schüttelt er den Kopf: „Ein moderner Herd hat zehnmalso viel Leistung, wie für das Kochen mit unserem Geschirr nötigwäre. Und diese neuartigen Dunstabzüge nach unten saugen in20 Minuten die komplette Luft aus einem beheizten Haus.“
Mit Sarah Wiener Richtung Jubiläum. Beim Blick in die Zukunftmacht Riess vor allem die zunehmende Bürokratie in den letztenJahren Sorgen: „Manchmal fragt man sich, ob die Wertschöpfungeines lokalen produzierenden Unternehmens überhaupt nocherwünscht ist.“ Dennoch darf man zuversichtlich sein, dass RIESSKELOmat 2050 das 500-jährige Jubiläum feiert: Erstens ist immermehr Menschen wichtig, wie Firmen mit der Umwelt und ihrenMitarbeitern umgehen. Zweitens kommen bei aller Tradition auchinnovative Ideen nicht zu kurz — wie man etwa an einergemeinsam mit der Starköchin Sarah Wiener gestalteten Serievon Designer-Backformen sehen kann. Und drittens ist da nochdie disziplinierte, langfristig orientierte Firmenpolitik vonFriedrich Riess und seiner Familie: „Die Eier tamma erst dannessen, wenn s’ die Henn’ g’legt hat.“
WAS IST EMAILLE?
Emaille ist nichts anderes als Eisen, das mitsilikatischem Glas bei 850 Grad Celsius verschmolzenwird. Es enthält keine künstlichen Zutaten und ist zuhundert Prozent im Altmetall recyclebar. Durch dasBrennen entstehen die leuchtenden Farben sowie eineporenfreie, kratz- und schnittfeste Oberfläche. FürKüchengeschirr wird Emaille seit Ende des 19.Jahrhunderts geschätzt, weil es rostfrei, hygienisch undleicht zu reinigen ist.
„Die Leute haben den dritten Mannund das fünfte Auto, aber nochimmer das Geschirr von der Oma.“